Ein großes Thema – die Ressourcenverteidigung beim Hund.
Erstmal eines vorab. Tatsächlich ist das ein sehr umfangreiches und komplexes Thema, das wir heute hier angehen. Höre dir bei Bedarf diesen Podcast gerne ein zweites Mal an oder lies dir den dazugehörigen Blogartikel gut durch.
Lass uns doch erstmal klären, was Ressourcenverteidigung überhaupt ist:
Der Hund verteidigt das, was für ihn kostbar ist. Was der Hund als wahren Schatz betrachtet, entscheidet er. Das kann ein Taschentuch sein, ein Schuh, die Fernbedienung, aber eben auch Futter, Plätze, also das Sofa oder die Parkbank, auf welcher die Bezugsperson gerade sitzt und auch der Mensch des Hundes selbst.
Selbst ein Raum oder der Wassernapf kann zur Ressource werden, aber eben auch Spielzeug oder ein bestimmter Bereich auf dem täglichen Spazierweg.
Wie gesagt, was der Hund für sich als kostbar ansieht, was es also für ihn Wert ist zu verteidigen entscheidet er. Nicht der Mensch.
Wie stark der Hund dabei seinen Schatz verteidigt, kommt auf die für ihn mögliche Bedrohung dieser an und auf das, was er bisher erlebt und erfahren hat. Der Hund kann also seine Beute einfach wegtragen oder tatsächlich sehr offensiv verteidigen.
Biologisch gesehen, ergibt es absolut Sinn, dass der Hund seine kostbaren Schätze verteidigt. Übrigens sind wir Menschen Meister darin, Ressource zu verteidigen.
Wir haben Besitztümer, um die wir kämpfen. Wenn du Einkaufen gehst und dafür bezahlst, ist die Ware deins. Würdest du sie einfach hergeben? Wahrscheinlich nicht.
Das Verhalten ist tief in den Genen deines Hundes verankert. Es liegt also in der Natur des Hundes, seine Ressourcen zu sichern. Es ist also erstmal etwas ganz Normales und wie gesagt, die Ressourcen zu beschützen ergibt natürlich auch biologisch gesehen Sinn.
In der Natur sichert das Verteidigen der Ressourcen das Überleben. Es ergibt also biologisch gesehen Sinn, dass zu beschützen, was der Hund als wertvoll betrachtet.
Was ist Ressourcenverteidigung beim Hund nicht?
Oft hört man ja, dass das ein völlig respektloses Verhalten ist oder dass der Hund seinen Menschen sogar dominieren möchte. Falls du einen Hund hast, der seine Ressource verteidigt, kann ich dich beruhigen! Dein Hund klärt in solchen Situationen keine Rangordnung oder ähnliches. Er möchte einfach nur diese eine Sache, die ihm gerade sehr wichtig ist, beschützen.
Warum verteidigt ein Hund bestimmte Ressourcen?
Man könnte sich jetzt natürlich denken, dass der eigene Hund überhaupt keinen Grund hat, bestimmte Dinge zu verteidigen, da er ausreichend Wasser und Futter bekommt und auch Zugang zum Spielzeug hat.
Aber wie gesagt, die Verteidigung bestimmter Dinge, steckt in den Genen eines jeden Hundes. Der eine Hund zeigt die Bereitschaft zum Verteidigen von Anfang an mehr, der andere weniger. Anderen Hunden wird das Verteidigen der Ressourcen regelrecht beigebracht. Meist aufgrund von fehlendem Wissen.
Deshalb kommen hier ein paar Beispiele, was du mit deinem Hund auf keinen Fall tun solltest, vor allem nicht, wenn er bereits Ressourcen verteidigt:
– Während des Fressens den Napf wegziehen und erwarten, dass dies der Hund einfach hinnimmt.
o Mal ganz ehrlich, das habe ich noch nie verstanden. Klar, hat da der Hund irgendwann mal die Faxen dicke und zieht eine Grenze.
– Dem Hund einen Gegenstand einfach wegnehmen
o der Hund hat gerade etwas super spannendes gefunden und ist auch noch total stolz darauf. Dann kommt der Mensch, schreit aus und zieht das Objekt der Begierde aus dem Maul heraus. Ja klar, der Hund wird mit der Zeit schlauer und geschickter und lernt, dass er deutlich machen muss, was er haben möchte.
– Den Hund nur noch aus der Hand füttern
o heikle Geschichte. Damit machst du deinen Hund von dir abhängig. Das hat Einfluss auf dein gesamtes Training und das nicht zum Guten. Futter sollte immer bedingungslos gestellt werden und es muss dafür gesorgt sein, dass der Hund in Ruhe und für sich, sein Futter fressen kann. Eine Knappheit oder ein eingeschränkter Zugang fördert die Ressourcenverteidigung.
– Die Bedürfnisse des Hundes nicht erkennen oder bewusst ignorieren
o wer mir schon ein bisschen folgt und bei den Workshops dabei war, weiß: Im bedarfsorientierten Training geht es nicht darum, dass der Hund macht, was er möchte (zum Beispiel auf den Küchentisch springen), sondern es geht darum, die Strategie vom Bedürfnis zu unterscheiden. Das Verhalten, dass der Hund im Moment zeigt, entsteht durch Emotionen hinter welchen Bedürfnissen stehen. Ressourcenverteidigung kann durch unerfüllte Bedürfnisse und dem damit verbundenen Unwohlsein, gefördert werden.
– Korrekturen und Strafe
o wenn ein Hund viel, oder im schlimmsten Fall sogar ausschließlich, über Strafen und Korrekturen trainiert wird, hinterlässt dies Spuren auf der Seele des Hundes und das Vertrauen des Hundes zum Mensch gegenüber ist entsprechend unstabil. Auch durch ein aversives Training, kann man die Ressourcenverteidigung stärken.
Kurzum kann man hier sagen, alles, was deinem Hund ein schlechtes Gefühl gibt, kann Verhaltensweisen hervorrufen, die wir einfach nicht haben möchten.
Auch die Möglichkeit, dass ihm etwas weggenommen wird, was ihm ein gutes Gefühl gibt, kann zur Ressourcenverteidigung führen.
Nehmen wir mal dich als Bezugsperson. Du bist deinem Hund wichtig. Er fühlt sich bei dir wohl und sicher und gut aufgehoben. Wenn dein Hund nun denkt, dass dies in Gefahr ist, wird er dich als Ressource verteidigen.
Mehrere Faktoren nehmen Einfluss auf die Ressourcenverteidigung:
– Wie bereits schon erwähnt, das Erlebte und das Erfahrene
– Das Alter des Hundes
– Die Gesundheit
– Der Wert der Ressource
– Das Stresslevel des Hundes
– Frust
– Angst und Unsicherheit
– Hunger, Durst oder andere unerfüllte Bedürfnisse (dazu zählt auch Sicherheit, Spiel, Leistung, Anerkennung usw.)
Wichtig für dich zu wissen ist Folgendes:
Wenn dein Hund eine Ressource verteidigt, hat er zwei Ziele:
– Zu einem möchte er die Ressource schützen
– Zum anderen möchte er die potenzielle Gefahr vertreiben,
zu welcher Art der Verteidigung dein Hund greift, hängt von den bereits genannten Faktoren ab, aber auch wie groß der Nutzen und wie hoch sein Energieaufwand dabei ist.
Es kann also durchaus sein, dass ein Hund knurrt und seinen Kopf schützend über ein Spielzeug legt, weil ein Mensch zu nah kommt und der Hund befürchtet, dass ihm sein Spielzeug weggenommen wird, es sich dann aber dennoch nehmen lässt.
Das ist auf jeden Fall bereits bedenklich, denn mit diesem Knurren, warnt der Hund und sagt ganz klar, dass ihm gerade etwas nicht passt. Es kann durchaus sein, dass der Hund beim nächsten Mal deutlicher wird und mehr Nutzen darin sieht, das Spielzeug offensiver zu verteidigen.
Was kann ich gegen Ressourcenverteidigung bei einem Hund tun?
Auch wenn es tief in den Genen verankert ist und biologisch Sinn ergibt, bedeutet dies nicht, dass du deinem Hund nicht beibringen kannst, dass Ressourcen nicht verteidigt werden müssen.
Deine erste Aufgabe hier dabei ist es, auf die Körpersprache deines Hundes zu achten. Denn dein Hund kündigt sein Verhalten an. Er sagt dir also, ich will das jetzt haben und möchte mir es auch nicht wegnehmen lassen und das lange bevor er schnappt oder beißt.
Stell dir vor, dein Hund kaut auf einem Schuh herum. Du möchtest aber nicht, dass dein Hund diesen Schuh zerkaut, denn die sind neu. Also gehst du auf deinen Hund zu, während er auf dem Boden liegt, den Schuh zwischen seinen Pfoten hält und genüsslich darauf herumkaut.
Sobald er weiß, dass du auf ihn zukommst, werden seine Augen dir folgen. Sein Blick haftet regelrecht an dir. Sein Körperschwerpunkt geht nach vorne und sein Kopf schützend über den Schuh, während seine Augen weiter auf dich gerichtet sind. Er wird steif und liegt da wie eine Statue.
In seinen Augen ist viel weiß zu sehen, da sein Kopf nach unten zeigt, der Blick jedoch nach oben. Vielleicht „zuckt“ dein Hund auch ein bisschen mit seinem Schwanz. Das sind dann kurze, schnelle Bewegungen der Rute.
Sobald du nun diese oder einige dieser körpersprachlichen Signale wahrnimmst, bedeutet dies für dich, den Abstand zu deinem Hund wieder zu vergrößern.
Nochmal, es geht nicht darum, Ressourcenverteidigung zu fördern, sondern die Situation zu entschärfen. Denn bereits bei diesen Signalen, teilt dir dein Hund ganz klar mit, dass er bereit dazu ist, die Ressource zu verteidigen.
Also nimmst du dich etwas zurück. Und zwar so weit, dass dein Hund dich nicht erwischt, wenn er doch zur nächsten Verteidigungsstufe übergeht und auch so weit, dass dein Hund sich sichtlich wieder entspannt, dass er also erstmal in dir keine Bedrohung für seine Beute mehr sieht.
Bedenke: Unterbindest du diese Kommunikation deines Hundes, eskaliert dein Hund immer schneller! Hier gilt es immer zu deeskalieren. Gehe zurück, wende den Blick ab und rede ruhig auf deinen Hund ein.
Lasse dich hier nicht auf irgendwelche fiktiven Machtkämpfe mit deinem Hund ein. Es bringt dir überhaupt nichts, dich drohend vor deinen Hund zu stellen, ihn den Schuh zu entreißen und ihn danach noch auf den Rücken zu drehen.
Das beweist deinen Hund nur, dass er mehr davon hat, sich dir entgegenzustellen oder es schüchtert deinen Hund komplett ein und sorgt für Unsicherheiten, die sich in anderen Bereichen wie Trennungsstress, Aggressionen gegen Artgenossen usw. wieder zeigen können.
Gut. Du hast also nun erkannt, dass der Hund seine Beute, in unserem Beispiel den Schuh, als Ressource ansieht und bereit ist diese zu verteidigen. Du gehst so weit zurück, dass dein Hund sich wieder sichtlich entspannt, und überlegst dir nun, was du ihm alternativ anbieten könntest.
Geben statt nehmen. Tauschen lautet hier das Stichwort.
Dabei ist es wichtig, dass das Tauschobjekt ebenso wertvoll oder sogar noch wertvoller für den Hund ist. Das kann ein anderes Spielzeug sein oder auch eine Kaustange. Das kann auch eine wertvolle Aktion von dir sein. Zum Beispiel das Starten eines Spieles.
Dein Hund wird so mit der Zeit lernen, dass es sich für ihn lohnt, Ressourcen herzugeben, da ihm nichts weggenommen wird.
Wenn dein Hund eine Ressource gegenüber einem anderen Tier verteidigt, gilt es ihn bei den ersten Anzeichen davon, abzuholen. Auch hier kündigt der Hund sein Verhalten an. Er stellt sich schützend über das Objekt und lässt das andere Tier nicht mehr aus den Augen. Vielleicht knurrt er sogar. Auch hier ergibt es keinen Sinn, die Kommunikation deines Hundes zu unterbinden. Im Gegenteil, wenn er ankündigt, dass er seinen Schatz verteidigen wird, bestätige ihn. Sorge dafür, dass zwischen die zwei Tiere (das können zwei Hunde sein, oder auch eine Katze und ein Hund) wieder mehr Abstand hereinkommt.
Auch das andere Tier darf bestätigt werden, dass auf die Kommunikation des anderen gehört wurde.
Wenn du feststellst, dass dein Hund Ressourcen verteidigt, dann stelle sicher, dass bei einem Hundetreffen kein Spielzeug herumliegt.
Weitere Trainingsansätze sind:
– Dem Hund beibringen, dass es nichts Schlimmes ist, wenn ich nachsehe, was er da gerade hat.
o Hier gilt es denn Hund dafür entsprechend zu belohnen oder entsprechend zu tauschen.
– Sobald der Hund freudig etwas anschleppt, erstmal dafür loben.
o Dein Hund kommt freudig mit der Fernbedienung an. Statt gleich loszuschreien, lobst du deinen Hund fürs Zeigen. Dann wird ganz in Ruhe getauscht. Im besten Fall erwischst du deinen Hund, bevor er sich die Fernbedienung greift, und bietest ihm gleich eine Alternative. So lernt dein Hund, was er haben darf und was nicht.
– Bringe deinem Hund ein Ausgabesignal bei.
o Dieses sollte immer freundlich und erfolgsbasierend aufgebaut werden. Eine Möglichkeit ist es zum Beispiel das Wort „Aus“ zu sagen, auch wenn dein Hund nichts hat, und ihm darauf einen Keks zu geben. Er weiß dann, dass dieses Wort etwas Positives bedeutet und wird entsprechend dann auch etwas ausgeben. Das solltest du zuerst mit Dingen üben, die deinem Hund nicht so wichtig sind, bevor du es an einer wertvollen Ressource aufbaust.
– Du bist die Ressource? Dann gilt es, deinen Hund abzuholen!
o Auch hier ist die Körpersprache entscheidend. Wenn du merkst, dass dein Hund seine Körperhaltung verändert, weil euch jemand zu nahekommt, dann stelle dich vor deinen Hund (nicht drohend, sondern beschützend) und lobe ihn für seine Kommunikation. Rede ruhig und bleibe gelassen und belohne jeden Blick zum anderen Menschen. Dein Hund lernt so, dass von anderen keine Gefahr ausgeht.
Wie gesagt, Ressourcenverteidigung ist ein komplexes Thema und tatsächlich würde ich immer raten, dort verhaltenstherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Du weißt aber nun, dass es für deinen Hund sinnvoll ist, Ressourcen zu verteidigen und dass du ihm helfen kannst zu verstehen, dass dies nicht nötig ist.
Wenn dein Hund verstanden wird und die Kommunikation nicht unterbunden wird, sondern dementsprechend gehandelt wird, ist es sehr wahrscheinlich, dass dein Hund immer weniger in die Ressourcenverteidigung geht.
Zum Abschluss ist mir noch eines sehr wichtig zu sagen: Bitte vorsichtig bei Kindern. Kinder sollten niemals versuchen dem Hund etwas wegzunehmen, auch nicht den Keks, der gerade heruntergefallen ist. Auch sollten sie weder auf die Ausführung des Ausgabesignals bestehen noch sonst irgendwie versuchen den Hund da zu trainieren. Das ist Aufgabe der Erwachsenen. Kinder und Hunde sollten einfach niemals allein zusammen gelassen werden.
Wenn der Hund etwas hat, wo dein Kind befürchtet, dass er es nicht haben sollte, dann holt es dich. Du regelst das. Niemals das Kind mit dem Hund. Und damit meine ich auch Jugendliche bis mindestens 16 Jahren.
Ich danke dir, dass du dir die Zeit genommen hast das Zusammenleben mit deinem Hund wieder etwas zu verbessern.
Hab heute einen wundervollen Tag mit deinem Hund!