Warum Erwartungspausen wichtig für dein Training sind?
Das verrate ich dir heute in diesem Podcast. Den dazugehörigen Blogartikel findest du direkt darunter. Schnapp dir eine Tasse Tee und lerne in Ruhe dazu.
Wir erwarten jeden Tag sehr viel von unseren Hunden. Irgendwie möchten wir doch alle, dass unsere Hunde „funktionieren“, also sich unseren Vorstellungen anpassen.
Wir möchten nicht, dass unser Hund andere Hunde oder Menschen anbellt.
Unser Hund soll nicht den Besucher anknurren, vielleicht sogar anfallen oder lautstark gegen den Besucher protestieren.
Es ist auch viel praktischer, wenn unser Hund in Ruhe allein bleiben kann.
Sowieso wäre es uns lieber, wenn unser Hund auf Reize jeglicher Art nicht reagiert, immer gut gelaunt und fit ist, aber gleichzeitig ruhig und ausgeglichen, jede Situation gut übersteht und genau das macht, was wir von ihm erwarten.
Aber die Realität sieht eben anders aus.
Oft überlastet unsere Umwelt die Hunde und sie können Konflikte, Krisen oder gar Traumata nicht ohne Hilfe bewältigen.
Lass uns gerne mal die Wörter Konflikte, Krisen und Trauma zuordnen.
Konflikte sind kurzzeitige Herausforderungen, wie zum Beispiel eine Hundebegegnung, wobei sich der Hund nach den Begegnungen schnell wieder beruhigt.
Eine Krise bedeutet, dass der Hund das Gefühl der Sicherheit verloren hat. Ist dies nur kurzzeitig der Fall, kann der Hund wieder in die Entspannung zurückfinden. Hier ist es sogar möglich, dass der Hund bei einer überstandenen Krise lernt, dass er diese meistern kann und neue Handlungsmöglichkeiten lernt. Wie zum Beispiel bei einer Hundebegegnung, bei welcher der Hund nicht sofort Schutz bei seinem Menschen suchen kann, die Situation aber auch nicht weiter eskaliert.
Bei einem Trauma findet ein vollständiger Verlust der Sicherheit statt. Der Hund kommt nicht in die Entspannung, er hat keine Lösungs- und Handlungsmöglichkeiten für spontane oder herausfordernde Situationen.
Das heißt für uns Menschen, dass unser Hund Schutz und Sicherheit benötigt, aber dennoch Raum zu lernen braucht. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir unseren Hund ab sofort in jede Hundebegegnung rennen lassen und hoffen, dass er seine eigenen Handlungsmöglichkeiten entdeckt.
Es gibt viel bessere Möglichkeiten unseren Hund seine Umwelt entdecken zu lassen, ihm die Möglichkeit des Lernens bieten und ihn dabei sicher unterstützen können.
Eine Möglichkeit sind die Erwartungspausen. Wir schrauben unsere Erwartungen unseren Hund gegenüber komplett runter und lassen unseren Hund einfach mal Hund sein. Weshalb das tatsächlich sinnvoll ist und ein richtig gutes Training, erkläre ich dir anhand von einem Praxisbeispiel:
Wir machen einen Achtsamkeitsspaziergang.
Man nennt ihn auch Bedürfnisspaziergang, manche sagen dazu sogar Trainingsspaziergang. Ich mag den Begriff Achtsamkeitsspaziergang sehr, da wir tatsächlich sehr achtsam bei unserem Hund bleiben müssen, während unser Hund seine Umwelt entdecken darf.
Der Achtsamkeitsspaziergang ist fester Bestandteil eines jeden Trainings von mir. Ohne diesen geht nichts. Denn er ist dazu da, seinen Hund kennenzulernen und zu verstehen.
Es gibt schon einen Blogartikel dazu von mir, aber ich erkläre ihn auch hier nochmal kurz.
Suche dir für den Achtsamkeitsspaziergang unbedingt einen ruhigen Ort, der übersichtlich für dich ist. Gerne auch schon einen, den dein Hund bereits kennt.
Bevor du mit deinem Hund losgehst, setzt du all deine Erwartungen an deinen Hund zurück.
Du nimmst deinen Hund an die Schleppleine, falls er freilaufen kann, lass die Leine weg, aber bedenke immer, dass die Sicherheit vorgeht. Das Handy ist am besten im Flugmodus, damit dir absolut nichts entgeht.
Du gehst los und studierst deinen Hund. Beobachte ihn, gebe dabei nur im Notfall Signale. Denn jedes Signal ist verbunden mit einer Erwartung von dir.
Was macht dein Hund, wenn er keine Signale von dir bekommt? Schnüffelt er gerne? Buddelt er vielleicht ein Loch? Sucht er nach Mäusen? Möchte er mit dir in Interaktion gehen und ein Spiel starten? In welche Richtung möchte dein Hund gehen? Wie verhält er sich, wenn er eine Wildspur entdeckt oder etwas hört? Wie ist seine Körpersprache? Spitzt er die Ohren? Wo ist die Rute? Was macht er mit den Vorderpfoten? Auf welche Geräusche oder anderen Reize reagiert dein Hund besonders?
Schau genau hin. Lerne deinen Hund genau kennen. Lerne ihn zu verstehen.
Denn dein Hund kommuniziert ständig mit dir. Dein Hund teilt dir seine Handlungen im Vorfeld immer mit. Das heißt, bevor er jagt, zeigt er mindestens drei Verhaltensweisen, die noch völlig in Ordnung sind. Zum Beispiel: Stehen bleiben, Ohren spitzen, Vorderpfote nach oben. Erst dann rennt er los. Bereits beim stehen bleiben, kannst du agieren und deinen Hund abholen.
Aber der Achtsamkeitsspaziergang hat noch weitere Vorteile. Durch unsere Erwartungspause hat der Hund Zeit zum Forschen, Erkunden und um sein Neugierverhalten auszuleben. Er kann also Erfahrungen sammeln, ohne dass wir ihm im Schnüffeln unterbrechen oder das Laufen an lockerer Leine von ihm erwarten.
Hat er vielleicht sogar den ein oder anderen Konflikt? Frust, weil er nicht jagen darf? Oder weiß er vielleicht gar nichts mit sich anzufangen?
Der Hund bekommt die Möglichkeit der Entscheidungsfreiheit. Selbstbestimmung ist wichtig für deinen Hund. Er kann sich entscheiden, wann und wie viel er schnüffelt und dabei lernen. Er kann sich entscheiden, ob er rechts oder links geht und dabei an Stärke gewinnen, weil seine Ideen, seine Motivation und seine Meinung ernst genommen werden.
Klingt erstmal unlogisch? Dann macht der Hund doch was er möchte, oder?
Eigentlich ist es ganz einfach. Ein Hund braucht die Möglichkeit der Selbstverwirklichung. Nur so kann er selbstständig in spontanen und/oder herausfordernde Situationen, die richtigen Entscheidungen treffen und sich nach einem Konflikt oder eine Krise wieder schnell runterfahren.
Bleiben wir beim Beispiel der Hundebegegnungen:
Ihr seid auf einem schmalen, kurvigen Weg. Ihr habt euren Hund an der Leine. Als ihr gerade dabei seid, um die Kurve zu gehen, steht da plötzlich ein unangeleinter, großer Hund vor euch.
Wie reagiert dein Hund? Wie reagierst du?
Du und dein Hund, ihr könnt jetzt beide Entscheidungen treffen. Oder triffst du allein die Entscheidung, was nun zu tun ist? Kannst du diese Entscheidung treffen?
Vielleicht musst du das gar nicht. Vielleicht kannst du deinen Hund tatsächlich kommunizieren, dass alles in Ordnung ist, dass du da bist und ihn schützt und gehst mit deinem Hund einfach an dem anderen Hund vorbei. Das setzt aber voraus, dass du und dein Hund eine gewisse Eigenschaft habt: Selbstsicherheit.
Wie erlangt man Selbstsicherheit? Aus Erfahrungen und Erlebten und den damit verbundenen Konsequenzen unseres Tuns. Wenn ich eigene Entscheidungen treffen kann, gewinne ich mit jeder richtigen Entscheidung an Selbstsicherheit, Vertrauen in mich und meine Umwelt.
Im Prinzip geht es unserem Hund nicht anders, nur dass dieser es nicht bewusst wahrnehmen kann.
Der Achtsamkeitsspaziergang ist also ein Tool, bei welchen du Erwartungspausen einlegen kannst und ganz nebenbei noch ein wirklich hervorragendes Training starten kannst.
Erwartungspausen wirken stressreduzierend. Auf dich und deinen Hund. Sie nehmen Druck heraus und geben Raum für neues Denken und Handeln.
Es gibt aber noch weitere Möglichkeiten, Erwartungspausen einzulegen. Das Training kann insgesamt auch einfacher und langsamer gestaltet werden. Wie oft üben wir etwas mit unserem Hund und erwarten die Ausführung in endloser Perfektion, wenn es schon mal funktioniert hat. Aber Training funktioniert nicht linear, gerade schnell aufgebaute Trainingsinhalte sind oft nicht genug im Hund verankert. Zum Beispiel das Laufen an lockerer Leine und der Rückruf. Rückschritte beim Training sind normal und wertvoll. Denn sie zeigen dir, wo dein Hund gerade steht. Nehme sie dankbar an, um das Training an das jetzige Können deines Hundes anzupassen. Erwarte nicht, dass alles immer sofort funktioniert. Lieber ein langsamer und einfacher Aufbau, wobei der Hund viele Erfolge im Training hat und auch mal Fehler machen darf. Gehe an jedes Training Erwartungsfrei heran. Jeder Hund lernt unterschiedlich und in seinem eigenen Tempo. Deswegen ist es wichtig, das Training dem Können deines Hundes anzupassen, nicht an deine Erwartungen. Dadurch entsteht nur Frust, weil der Hund ja nicht das macht, was er gerade in den Augen des Menschen soll.
Erwartungspausen solltest du auch dir selbst gönnen. Wir möchten immer so gerne dem Bild der Gesellschaft entsprechen, zeigen, dass wir alles im Griff haben und da gehört ja ein „gut erzogener“ Hund dazu, oder?
Wir lassen uns von unserer Umwelt beeinflussen und erwarten von uns selbst, dass wir das schaffen und können. Ich bin überzeugt, dass du alles schafft und kannst, was du möchtest, doch nehme den Druck heraus. Es ist dein Leben mit deinem Hund und nicht das der anderen. Du entscheidest, was für dich okay ist und was nicht. Dein Hund kann kein Fuß laufen? Das ist völlig okay. Vielleicht besteht gar keine Notwendigkeit dafür. Dein Hund darf bei dir auf das Sofa? Klar, warum nicht. Dein Hund darf bei dir nicht auf das Sofa. Vollkommen in Ordnung. Gönne dir Erwartungspausen. Erwartungen, die andere in dich stecken, Erwartungen an deinen Hund, Erwartungen an dich selbst …
Damit erreicht man nichts anderes als Stress. Und zum Schluss kommt da wieder dieser Zweifel. Schaffe ich das? Kann ich das? Bin ich gut genug? Und schon blockieren wir uns wieder selbst.
Denke daran, du bist der wichtigste Mensch in deinen Leben. Und du entscheidest, was für dich und deinen Hund wichtig und richtig ist.
Gönne dir eine Pause von jeglichen Erwartungen. Zuerst ganz bewusst und später mit ein bisschen Übung vielleicht sogar im Gesamten. Das ist nicht, dass du keine Erfolge erzielen möchtest und nicht weiterkommen möchtest, sondern dass du diesen enormen und belastenden Druck rausnimmst und ehrlich zufrieden sein kannst, mit dem, was du bisher mit deinem Hund geschafft hast.
Ich wünsche dir eine Zeit ohne Druck und ohne Stress, gemeinsam mit deinem Hund.
Deine Katharina
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