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Autismus bei Hunden

Der Hund zeigt scheinbar unerklärliche, stereotype Verhaltensweisen, kleine Veränderungen im Alltag oder im Umfeld lösen Panikattacken aus, genauso die Plastiktüte, die 20 Meter entfernt im Wind tanzt und da einfach nicht hingehört. Dafür kann ein Grashalm über vielen Minuten hinweg intensiv beobachtet werden und ein Fleck auf dem Boden interessanter als alles andere sein. Der Hund ist ein Autist.

Autismus bei Hunden

 

Eine Bereicherung

Für Autismus beim Hund gibt es keine offizielle Diagnose, man spricht von autismusähnlichem Zustand. Wobei ich das Wort „Zustand“ sehr unpassend finde. Denn Autismus sollte nicht als Zustand, Krankheit oder Behinderung angesehen werden, sondern als Bereicherung. Deswegen spreche ich im Folgenden auch von Autismus und lasse das Wort „Zustand“ weg.
Wie Autismus tatsächlich entsteht, ist bis heute nicht abschließend geklärt. Als wahrscheinlich gelten genetische Faktoren. Beim Menschen gibt es dazu bereits Forschungen (Funktionsstörung der linken Gehirnhälfte, erhöhten Spiegel an Botenstoffen Noradrenalin, Adrenalin und Dopamin, eingeschränkte Funktionsfähigkeit der Spiegelneuronen, welche benötigt werden, um Emotionen von Gesichtern deuten zu können).
Zum Hund selbst gibt es keine hinreichenden Forschungen. Deshalb wird allein von den gezeigten Verhaltensweisen, dem Ausschlussverfahren und vor allem durch lange Beobachtung und Auswertung der Verhaltensweisen auf Autismus geschlossen.

Autismus beim Hund feststellen

Hier ist es extrem wichtig, den Gesamtkontext zu sehen und einen Verhaltensberater bzw. eine Verhaltensberaterin für Hunde mit ins Boot zu holen. Denn nur weil einige Verhaltensweisen auf den eigenen Hund zutreffen, heißt das nicht, dass der Hund tatsächlich auch ein Autist ist. Oft zeigen hochsensible Hunde, Hunde mit einem Entwicklungstrauma oder einer Belastungsstörung sehr ähnliche Verhaltensweisen.

Die Gefahr bei einer Selbstdiagnose: Ist die Diagnose falsch, wird der Hund möglicherweise Trainingsmethoden oder Therapien ausgesetzt, die seine Lebensqualität massiv einschränken oder aus einer Begabung, tatsächlich eine Krankheit, ausgelöst durch dauerhaften Stress machen.

Solltest du also der Meinung sein, dass du bei jenen Verhaltensweisen, die ich hier gleich aufzähle, deinen Hund wiedererkennst, schreibe an kontakt@joydogs.de zur Anamnese, Abklärung und Diagnostik.

Wie verhält sich ein autistischer Hund?

Autisten sind scheinbar nie wirklich im Hier und Jetzt, sondern irgendwie immer abwesend. Sie sind oft nicht ansprechbar bzw. reagieren langsam bis gar nicht auf ihren Namen oder Signale. Auch Umweltreize werden oft gar nicht oder aber übertrieben war genommen. So kann normaler Regen Panik auslösen, Wind tatsächlich gruselig sein und Geräusche eine ernsthafte Bedrohung für den Hund werden.

Oft dauert es sehr lange, bis die Hundemenschen eine ehrliche Bindung zu dem Hund aufbauen können. Sehr häufig ist auch ein Mangel in der Fähigkeit, soziale oder emotionale Beziehung zu Artgenossen aufzubauen, festzustellen.

Zusätzlich kann oft Verhalten beobachtet werden, dass zwar im Grunde mal einem biologischen Zweck gedient hat, jedoch nun in eine Maß vorkommt, dass es diese Grundfunktion nicht mehr erfüllt. Zum Beispiel das Beobachten eines Flecks auf dem Boden. Während ein Hund normalerweise kurz am Fleck schnüffelt, beobachtet ein autistischer Hund den Fleck über Minuten. Handlungsweisen werden also oft ausgedehnt oder sehr übertrieben gezeigt.

Auch Essstörungen, Aggressionen, Panik, Phobien, selbstverletzendes Verhalten und Schlafstörungen können auftreten.

Bei Tests an Ratten fand man heraus, dass das Netzwerk der Neuronen quasi hyperaktiv ist. Mit der Folge, dass die Ratten sich schneller fürchteten und auch schneller lernten, wovor sie Angst haben sollten. Andersherum brauchte es lange, bis sie eine entschärfte Situation als gefahrlos erkannten. Die Konditionierung auf Angst ist extrem. (Quelle: Zeit.de/2014/05/hirnforschung-autismus-henry-markram-neurowissenschaften)

Wie kann man einen autistischen Hund helfen?

Da Autismus weder eine Krankheit noch eine Behinderung ist, braucht es keine Behandlung im klassischen Sinne. Wichtig sind Rituale, Stabilität und Sicherheit.
Die Bedürfnisse eines autistischen Hundes sollten erfüllt werden. Gewohnheiten leben, so wenig Veränderung wie möglich und ganz viel Verständnis gehört zum Alltag dazu.

Es gibt autistische Hunde, die immer aus dem gleichen Napf fressen, einfach, weil ein anderer eine zu große Veränderung darstellt. Bei anderen ist ein ganz bestimmter Ablauf vor dem Hinausgehen notwendig, damit sie überhaupt mitgehen.

Leichte Massagen können deinen Hund helfen, wieder im Hier und Jetzt anzukommen. Aber nur, wenn dein Hund gerne angefasst wird.

Das Arbeiten mit Markerwörtern kann den Alltag ebenso erleichtern.

Das ist alles normal und darf erfüllt werden. Alles andere führt zu Stress und macht auf Dauer tatsächlich krank.
Sollte der Hund bereits aggressives Verhalten zeigen (das kommt häufiger bei Hunden vor, die falschem Training oder einer unnötigen Therapie ausgesetzt werden), sollte auf jeden Fall ein Verhaltenstherapeut mit ins Boot geholt werden.

Man muss sich vor Augen halten, dass ein autistischer Hund immer nur einen Weg, also nur die eine Strategie kennt und dass jede Abweichung davon den Hund völlig aus der Fassung bringen kann.

Ein Leben mit einem autistischen Hund kann ganz wundervoll sein und muss nicht in purer Anstrengung enden. Rituale helfen beiden Seiten, das Leben gemeinsam zu genießen.

Übrigens helfen Rituale, Struktur, Sicherheit und die Ankündigung deiner Handlungen auch, wenn dein Hund einfach nur wunderbar anders ist als andere. Gib ihm Zeit, seine Umwelt zu erfassen und zu erkunden.

Ich muss es zum Schluss nochmal betonen: Autismus bei Hunden ist so gut wie unerforscht. Schlüsse können wir also nur aus der bestehenden Forschung ziehen. Sicherlich ist nicht alles eins zu eins auf den Hund übertragbar, aber es lohnt sich, bei einem besonderen Hund in eine besondere Richtung zu schauen, um ihm ein leichtes und schönes Leben zu ermöglichen.

Auch wichtig: Autismus ist nicht gleich Autismus. Es gibt verschiedene Formenkreise (Asperger-Syndrom zum Beispiel). Das bedeutet, dass man immer ganz genau hinschauen muss, was der eigene Hund gerade braucht. Das Beste, was du tun kannst, ist nach den Bedürfnissen deines Hundes zu handeln.

Hab eine wundervolle Zeit mit deinem Hund.

Deine Katharina Valentin

4 Kommentare zu „Autismus bei Hunden“

  1. Wir haben einen Pudel der mittlerweile zwei Jahre alt ist. In den ersten Monaten dachten wir er wäre taub da er absolut nicht reagiert hat . Man musste ihn antippen oder in seinem Gesichtsfeld seine Aufmerksamkeit herstellen.
    Später sind wir zu dem Schluss gekommen das ein Autist sein muss , wussten aber nicht das es das gibt.
    Da ich nun zwei sehr unterschiedliche Hunde habe , einer ist ständig unter Strom und der andere lebt in seiner Welt, habe ich nach Beschäftigung für die beiden Gesucht. Bei unserem Pudel bin ich auf die Idee gekommen er könnte ein super Besuchshund werden da er sich durch nix aus der Ruhe bringen lässt. Ich war das erste mal zu einer Terapie Hund Ausbildung und bin dort einer Ausbilderin begegnet die selbst einen Autisten hat . Sie hat es in unserem sofort wiedererkannt wollte aber erstmal nix sagen. Sie hat dann erzählt das sie keinen Kontakt zu ihrer Hündin gefunden hat ehe die 7 Monate war , mit 4 Jahren hat diese Hündin ihre Terapie Ausbildung als eine der Besten mit der besten Mensch Hund zusammenarbeit bestanden die der Prüfer je gesehen hat. Leider hat Sie uns auch erzählt das 4 ihrer Hundegeschwister zu Wanderpokalen geworden sind und davon mussten zwei später eingeschläfert werden.
    Es lohnt sich also den Hunden den Raum und die Zeit zu geben die sie brauchen .

    1. Hallo Karen, da hast du vollkommen recht! Ich kann nur immer wieder wiederholen, dass Autismus, keine Krankheit ist.
      Diese Hunde sind etwas besonders und haben besondere Fähigkeiten, die sie entfalten können, wenn (wie du so schön geschrieben hast) man ihnen Raum und Zeit gibt.

      Liebe Grüße, Katharina von JoyDogs®

  2. Liebe Katharina,
    vielen Dank für deine tolle Erklärung.
    So ein klein wenig finde ich meine Suza darin wieder, wobei sie wohl „nur“ hochsensibel ist glaube ich.
    Könntest du da als direkten Vergleich zum Autismus bitte mal die Unterschiede erklären oder hast du vielleicht das Thema Hochsensibilität bereits irgendwo verfasst? Das würde mich sehr interessieren.
    Liebe Grüsse,
    Stephanie

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