Ich habe in meinem letzten Blogartikel erklärt, woher der Mythos kommt, dass ein Mensch gegenüber dem Hund ein Rudelführer sein muss. Also den Hund beherrscht. Das ist ein Glaubenssatz, den wir getrost aus unserem Gedächtnis streichen können, denn das “Rudelführerding” ist eine Sache, die der Mensch in der Welt gesetzt hat und von dem der Hund eigentlich gar nichts weiß, da wir nicht im Rudel mit unserem Hund leben, sondern in einem Sozialverbund.
Ein Rudel setzt eine Fortpflanzungsabsicht voraus, die wir mit unserem Hund nun mal nicht haben.
In dieser Zeit, wo auch die Sache mit dem Rudelführer entstanden ist, war der Hund eher ein Gebrauchsgegenstand, der bestimmten Aufgaben hatte und diese auch zuverlässig ausführen sollte. Einige unsere Hunde haben diese Aufgaben heute noch. Es gibt immer noch Hütehunde, die Schafe hüten, Treibhunde, die Rinderherden zusammentreiben, Jagdhunde, die tatsächlich jagen sollen und Wachhunde, die tatsächlich wachen, anschlagen und evtl. auch mögliche Eindringlinge vertreiben sollen.
Unsere Haushunde sollen das jedoch nicht. Mit dem Jagdhund gehen wir zum Antijagdtraining, der Hütehund darf auf keinen Fall hüten und der treib Hund um Himmels willen nicht treiben.
Ich glaube, du weißt, worauf ich hinaus möchte, oder?
Heute hat sich das Bild, wie sich unsere Hunde verhalten sollen, verändert. Die Motivation ist jedoch immer noch dieselbe. Der Hund soll das tun, was der Mensch möchte. Egal ob es seiner Natur entspricht oder nicht.
Unsere Gesellschaft hat heute ein bestimmtes Bild von Hunden. Sie müssen brav neben ihren Menschen laufen, auf jedes Signal perfekt reagieren und dieses dann auch sicher ausführen und an jeden andere Hund kommentarlos vorbeilaufen. Der Hund sollte geräuschsicher sein (also bei Donner, Schüssen, Feuerwerk oder Baustellenlärm) und natürlich in jeder Situation die Fassung bewahren. Am besten ist es, wenn man den Hund überall mit hinnehmen kann ohne das er auffällt und er gleichzeitig aber, sollte es nötig sein, allein bleiben kann.
Und dann Bamm, schlägt die Realität ein, denn die meisten Hunde sind all das nicht. Sie haben Angst bei lauten Geräuschen, da sie sehr sozial sind, ist allein bleiben meist mit Stress verbunden, überall mit hin gezerrt werden möchten sie aber auch nicht. Jagen ist für die meisten Hunde etwas Großartiges und ja, Hunde bellen. Hunde mögen nicht alle Menschen, nicht jeden Hund und schon gar nicht frontale Hundebegegnungen.
Und dann wird der Hund als ungehorsam abgestempelt. Man versucht verzweifelt den Hund zu bearbeiten, sodass er ins Bild unserer heutigen Gesellschaft passt.
Man bringt dem Hund Dinge bei, die man hin halt so beibringt. Sitz, Platz, Bleib, an der Leine laufen, Komm, dreh dich, weiter (dass er nicht so lange schnüffelt). Und trotzdem merkt man, dass da irgendetwas nicht stimmt. Der Hund hat immer noch Angst, ist noch immer gestresst und kann Signale in bestimmten Situationen noch immer nicht ausführen.
Das ist der Moment, in dem mich die Hundemenschen anrufen und sagen: Zuhause funktioniert das. Aber sobald wir rausgehen, zieht er an der Leine.
Wenn ich dann frage; weshalb der Hund an lockerer Leine laufen soll, und zwar am besten noch hinter dem Menschen, bekomme ich zur Antwort: Weil man das halt so macht. Der Hund hat hinter einem zu laufen.
Ja aber wieso?
Die meisten wissen darauf keine Antwort. Es ist ebenso. So macht man das.
Zwei Dinge sollten man im Training unbedingt beachten:
- Weshalb möchte ich, dass mein Hund das macht? Welcher Sinn steckt dahinter? Weil es denn Spaziergang für meinen Hund und andere vielleicht sicherer macht? Oder weil ich meinen Hund damit Schutz vermitteln kann? Weil es ihn beruhigt? Macht es ihm vielleicht das Training leichter?
- Was steckt hinter dem Verhalten meines Hundes? Wozu zeigt er dieses Verhalten? Was möchte er mir und seiner Umwelt damit sagen? Hat er Angst, braucht er Abstand, ist ihm die Situation gerade zu viel oder hat er einfach nur Durst?
Ich persönliche finde es wichtig, die eigene Motivation zu hinterfragen. Weshalb bringe ich meinen Hund genau das gerade bei? Nicht weil andere es so machen, nicht weil irgendwer in meinem Umfeld, das für richtig hält, das ist für mich die falsche Motivation, sondern weil es meinen Hund und mir dadurch leichter fällt, weil es meinen Hund tut, gut, weil seine Kommunikation damit verstanden wird.
Schon klar, an lockerer Leine laufen ist wichtig. Ständiger Zug auf der Leine ist weder für unseren Hund noch für uns gut. Aber frage dich vorher immer: Wozu zieht mein Hund überhaupt an der Leine? Stress, Angst, Neugierde? Was steckt dahinter. Wie kann ich ihm das Laufen an lockerer Leine vermitteln? Wenn mein Hund Stress oder Angst hat, dann muss ich früher ansetzten. Entspannungstraining ist da das Stichwort. Mein Hund muss erstmal lernen den Stress zu regulieren bzw. sich außen sicher fühlen. Und dabei nicht vergessen, auch ängstliche Hunde ziehen oft nach vorne.
Wir leben mit unseren Hunden heute in einer Welt, in der wir eigentlich nicht mehr möchten, dass sie ihrem Naturell nach gehen. Aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass vieles, was wir heute als ungehorsam abstempeln, ein ganz normales Verhalten ist. Ein sogenanntes Normalverhalten. Angst sicher das Überleben, genauso wie Stress. Nur wenn die Angst und der Stress überhandnehmen, liegt es in unserer Verantwortung dies zu erkennen, entsprechend zu agieren.
Das machst du nicht für die anderen, damit diese sehen können, wie sehr du deinen Hund im Griff hast, das machst du für dich und deinen Hund. Du trainierst mit ihm, damit er sich sicher fühlt und er weiß, was du gerade von ihm möchtest. Im Gegenzug musst du erkennen, ob dein Hund dein Signal im Moment überhaupt ausführen kann. Denn ab einem gewissen Stresslevel kann es der Hund nun mal schlicht und ergreifend nicht. Da nützt keine Korrektur der Welt etwas.
Hinterfrage also immer deine Motivation und die deines Hundes. Weshalb bringe ich meinen Hund etwas bei? Was möchte ich für meinen Hund damit erreichen?
Und: Wozu zeigt mein Hund gerade dieses Verhalten? Was möchte er mir damit sagen.
Ich persönlich denke, dass der erste Schritt zu einem erfolgreichen Training ist, den Hund so anzunehmen, wie er ist. Mit all seinen wunderbaren Stärken und Schwächen. Denn diese gehören zu ihm. Jeder Hund ist individuell und das ist gut so.
Es ist viel sinnvoller, an der Ursache des Verhaltens zu arbeiten, als den Hund zu bearbeiten. Das ist ein großer Unterschied.
Das Thema ist mir so wichtig, dass ich mit euch im kostenlosen Workshop darüber rede.
✨Dein Hund ist gut so wie er ist! Sein Charakter macht deinen Hund zu etwas besonderen! Der erste Schritt im Training ist immer, deinen Hund anzunehmen, so wie erst und dir bewusst zu werden, dass du ihm bei seinen Herausforderungen hilfst. Das machst du für deinen Hund und nicht für den Nachbarn, Bekannte oder Freunde! Sondern für deinen Hund und für dich. Für euer Zusammenleben. Für eure gemeinsame Zeit.
▶️ Warum möchtest du, dass dein Hund bestimmte Dinge kann?
Du lässt deinen Hund am Futternapf warten? Warum?
Du möchtest, dass dein Hund nach dir aus der Tür geht? Weshalb?
Dein Hund darf niemals vor dir laufen? Was möchtest du ihm damit vermitteln?
Welche Motivation deinerseits steckt dahinter? Welchen Grund hast du, deinen Hund bestimmte Verhaltensweisen beizubringen?
Die Antwort, weil ich es irgendwo mal gehört habe, zählt nicht. Auch nicht die Antwort, weil man es eben so macht. Das ist dann nicht deine Motivation, sondern die Motivation von irgendjemanden, der irgendwann einmal entschieden hat, wie Hunde sich verhalten müssen.
❗️Wenn du nicht zu 100 % hinter deinem eigenen Training stehst und selbst nicht weißt, wohin dein Training führen soll, wirst du deine Trainingsziele mit deinem Hund nicht erreichen.
Ich wünsche dir einen wundervollen und vor allem stressfreien Tag mit deinem Hund. Stelle deine Trainingsziele mal auf den Prüfstand und überlege dir, was deine Motivation dahinter ist. Bis ganz bald.
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