Zum Start der Themen-Reihe “Psychosomatische Krankheitsbilder” erzähle ich euch etwas über die Deprivation.
Psychosomatische Krankheitsbilder beim Hund – Die Deprivation
Deprivation bezieht sich auf den Zustand des Mangels oder des Fehlens von etwas, das für das Wohlbefinden eines Lebewesens notwendig ist. Wenn es um Hunde geht, kann Deprivation eine Reihe von Formen annehmen, zum Beispiel soziale Deprivation, sensorische Deprivation oder Deprivation von Nahrung und Wasser.
Zu Beginn ist mir eines wichtig zu sagen: Selbstdiagnosen sind hier nicht angebracht. Wenn du nach diesem Blogartikel vermutest, dass dein Hund an einem Deprivationssysndrom leidet, dann kontaktiere uns bitte. Ein Deprivationssyndrom ist auch ein tatsächlicher krankhafter Schaden, dem Training und der Therapie sind also Grenzen gesetzt, was nicht bedeutet, dass es keine Hoffnung mehr für deinen Hund gibt.
Bei einer Deprivation sollte aber immer der Tierarzt eingeschalten werden, mindestens zwei Therapeuten, die draufschauen und auch ein Verhaltenstierarzt. Wenn ich bei einem Hund den Verdacht einer Deprivation habe, hole ich mir immer noch eine zweite Meinung und erbitte eine Vorstellung beim Tierarzt.
Hat dein Hund ein Trauma und keine Deprivation, ist die Vorgehensweise eine ganz andere.
Die soziale Deprivation
Hunde sind von Natur aus soziale Tiere und brauchen die Interaktion mit anderen Hunden und Menschen. Wenn sie keine Interaktion haben, können sie eine Herausforderung mit anderen Hunden oder Menschen entwickeln, was im Laufe der Zeit zu Verhaltensproblemen wie Angst, Aggression und Depression führen kann, aber auch fehlende Zuneigung oder das Fehlen von anderen wichtigen Bedürfnissen, kann die Ursache einer Deprivation sein.
Wenn der Hund sich in der Nähe anderer Menschen oder Artgenossen nie wohlgefühlt hat, nie erfahren hat, dass Berührungen etwas Schönes sein können oder gar nie berührt wurde, sprechen wir von einer sozialen Deprivation.
Diese soziale Deprivation kann auch auftreten, wenn der Hund lange viel alleine ist und sehr wenig, oder nur die nötigste Beachtung bekommt. Auch Hunde, die lange im Tierheim sind, können betroffen sein. Häufig sind diese Hunde früh von den Wurfgeschwistern und der Mutter getrennt worden und wachsen alleine und sehr einsam auf.
Ein Mangel an sozialen Interaktionen kann also dazu führen, dass Hunde nicht in der Lage sind, ihre sozialen Fähigkeiten zu entwickeln und somit Schwierigkeiten haben, angemessen auf andere Hunde oder Menschen zu reagieren.
Die sensorische Deprivation
Sensorische Deprivation kann auftreten, wenn der Hund in einer Umgebung ohne ausreichende Stimulation gehalten wird. Dies kann zu Langeweile, Frustration und Verhaltensauffälligkeiten führen.
Hunde sind sehr neugierige und aktive Tiere, die eine Vielzahl von Stimuli benötigen, um ihr Wohlbefinden zu gewährleisten. Dazu gehören verschiedene Gerüche, Geräusche, Texturen und visuelle Reize. Wenn ein Hund in einer Umgebung ohne ausreichende sensorische Stimulation gehalten wird, kann also eine sensorische Deprivation entstehen.
Betroffen sind Hunde, die als Welpen ihre Umwelt zu wenig erfahren können, weil sie zum Beispiel in der Wurfkiste oder bis zur Trennung von der Mutter nicht raus können. Ein Welpe durchlebt während den ersten drei Lebensmonaten wichtige Phasen.
Eine davon ist die Prägungsphase. Während der Prägungsphase sind positive Erfahrungen mit Reizen enorm wichtig. Auch mit Menschen und anderen Hunden. Damit ist nicht gemeint, dass der Welpe 20 Menschen und 30 Hunde kennenlernen muss. Es reicht, wenn der Welpe ein paar wenige Menschen und ein, zwei andere erwachsene Hunde kennenlernt und keine schlechten Erfahrungen während der Interaktion mit ihnen macht.
Hunde, die unter einer sensorischen Deprivation leiden, haben Angst, bzw. Panik vor all dem, was sie nicht kennen. Wind, Wasser, Stadtlärm (übrigens beobachtet man das auch häufig bei Hunden, die ihre ersten Lebensmonate sehr naturnah verbracht haben), sogar Käfer, alles kann Angst bis hin zur Panik verursachen. Entweder ziehen sich die Hunde komplett zurück oder sie entwickeln eine Angstaggression.
Diesen Hunden fehlt, wie bei jeder Art der Deprivation, eine Strategie, mit den vielen Umweltreizen umzugehen. Entsteht die Deprivation während der Welpenzeit, handelt es sich um eine Entwicklungsstörung.
Aber auch Hunde, die über sehr lange Zeit eingesperrt sind, können eine sensorische und soziale Deprivation entwickeln, auch wenn sie als Welpe erleben und erfahren durften. Ein Deprivationssyndrom kann sich also in jedem Alter entwickeln.
Die Deprivation von Nahrung und Wasser
Dann wäre da noch die Deprivation von Nahrung und Wasser. Diese kann auftreten, wenn der Hund nicht genug zu essen oder zu trinken hat. Das kann zu einer Reihe von gesundheitlichen Problemen führen, einschließlich Dehydratation, Unterernährung und Organschäden.
Hier ist es wichtig sicherzustellen, dass Hunde alle notwendigen Ressourcen haben, um ein glückliches und gesundes Leben zu führen. Dies beinhaltet ausreichende soziale Interaktion, sensorische Stimulation und Zugang zu Nahrung und Wasser.
Es ist auch wichtig zu beachten, dass die De privation unterschiedliche Auswirkungen auf Hunde haben kann, je nach Rasse, Alter oder Gesundheitszustand.
Wie erkenne ich, ob mein Hund eine Deprivation hat?
Leidet ein Hund unter Deprivation, kann er viele Reize einfach nicht verarbeiten. Das hat nichts mit ungehorsam zu tun, er kann es einfach nicht. In unseren Augen reagieren diese Hunde oft übersensibel bzw. übertrieben auf ganz normale Alltagssituationen.
Viele dieser Hunde können das Haus oder ein bestimmtes Zimmer anfangs nicht verlassen, versuchen sich zu verstecken, können keine Nähe zu lassen und haben auch oft körperliche Symptome.
Sobald diese Hunde jedoch in einer für sie gewohnten Umgebung sind, können sie sich beinahe normal verhalten.
Was du unbedingt noch über das Thema “Deprivation beim Hund” wissen solltest:
Eine Deprivation bedeutet, dass das Gehirn des Hundes nicht vollständige entwickelt ist oder Schaden genommen hat. Ein Tierarzt finden oft bei genauerer Betrachtung Entwicklungsschäden (verringertes Wachstum, Organschäden, eingeschränkte Sehfähigkeit usw.). Wenn der Verdacht besteht, sollte man also vorstellig werden.
Eine Deprivation bedeutet nicht, dass der Hund keine Chance mehr hat.
Ein Hund, der von Deprivation betroffen ist, lernt langsamer, braucht insgesamt für alles mehr Zeit und der Mensch mehr Geduld, reagiert oft heftig und für den Menschen kaum nachvollziehbar und baut extrem schwer Vertrauen zum Menschen auf.
Der Punkt ist aber, man kann mit diesen Hunden tatsächlich helfen, man kann sie unterstützen. Ich verrate dir auch gleich wie!
Die Deprivation beschreibt immer einen Mangel bzw. einen Entzug von grundlegenden vitalen und / oder psychischen Bedürfnissen.
Wenn man die betroffenen Hunde genau beobachtet, wird man feststellen, dass ihre Verhaltensweisen der Erfüllung von Bedürfnissen geschuldet sind.
Für den Hund fühlt sich die Welt an wie ein fremder Planet, auf welchen er ganz alleine ist, niemand hat und sich in ständiger Lebensgefahr befindet.
Er hat Angst bis hin zur Panik und kann die Situation, in der er sich befindet, nicht verstehen. Nicht mal ansatzweise.
Er hat bzw. entwickelt Strategien, um mit neuen Situationen umzugehen, zum Beispiel sich zu verstecken oder sich zu verteidigen.
Beides aus dem gleichen Grund: Er fühlt sich nicht sicher. Er hat das Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit.
Da die Deprivation dadurch entstanden ist, dass die Bedürfnisse des Hundes nicht erfüllt worden sind bzw. im verwehrt wurden, wäre es fatal das jetzt weiterzumachen.
Das bedeutet: Wenn der Hund sich verkriechen möchte, soll er es erstmal tun.
Der Mensch muss sich das Vertrauen zum Hund erst aufbauen. Langsam und Schritt für Schritt. Bis der Hund bereit ist, den Schutz des Menschen anzunehmen.
Es geht darum, die Strategie hinter dem Bedürfnis zu erkennen und dem Hund mit einer neuen Strategie dieses Bedürfnis zu erfüllen. Die neue Strategie muss, dem Hund als Lösung beigebracht werden, mit der er sich besser und noch sicherer fühlt. Ganz klar, das ist ein vorsichtiges Herantasten beider Seiten, die immer von einem Verhaltenstherapeuten für Hunde begleitet werden, sollte.
Hole dir also Hilfe von jemanden, der sich mit diesem Thema auskennt, wenn du den Verdacht hast, dass dein Hund von Deprivation betroffen sein könnte. Wir helfen auch gerne im 1:1 Coaching, auch online. Wir können dir Schritt für Schritt sagen, was du tun kannst, um deinen Hund zurück ins Leben zu führen.
Wenn man bei einer Deprivation zu schnell zu viel vom Hund verlangt, geht die Sache schief. Man dreht sich irgendwann im Kreis. Der Hund leidet, der Mensch ärgert sich. Nichts tun, ist aber auch keine Lösung. Den Grundstein für schönes Leben mit deinem Hund, kannst du übrigens bereits in unseren Online-Workshop legen, den du heute direkt starten kannst.
Da die Frage, was würde passieren, wenn ich den Hund einfach zwinge, oft von meinen Kunden kommt, hier die ehrliche Antwort: Du würdest ihn zerstören. Du würdest ihn brechen und er würde sich aufgeben.
Hole dir Hilfe, schreibe uns an, per Mail oder über Instagram, Facebook oder auch direkt übers Kontaktformular (*klick) an und wir können das gerne gemeinsam machen.
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