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Mehr als eine Reaktion – Reaktivität beim Hund verstehen und richtig handeln

Wenn alles zu viel ist – Leben mit einem reaktiven Hund

Kennst du das? Du gehst entspannt mit deinem Hund spazieren – oder besser gesagt: du willst es zumindest. Plötzlich taucht am Ende des Weges ein anderer Hund auf. Du atmest tief durch, versuchst die Leine etwas kürzer zu nehmen, ganz ruhig zu bleiben, aber da ist es auch schon passiert:

Dein Hund schießt in die Leine. Bellt. Jagt. Springt. Reißt dir fast den Arm aus. Und während dein Herz rast, gehen dir tausend Gedanken durch den Kopf:

Warum tut er das?
Was habe ich falsch gemacht?
Warum passiert das ausgerechnet uns?
Wieso ist er zu Hause der liebste Hund und draußen kaum zu halten?

Du fühlst dich hilflos. Vielleicht auch beschämt. Vielleicht sogar wütend – auf deinen Hund, auf dich selbst, auf die Welt. Du willst ihm helfen, willst ihn verstehen, aber das alles fühlt sich manchmal einfach nur… überwältigend an.

Wenn du dich hier wiederfindest, dann bleib unbedingt dran. Heute erzähle ich dir die Geschichte von Bobby – einem wunderschönen Border Collie – und spreche über das, was viele Hunde betrifft, aber selten richtig verstanden wird: Reaktivität.

Außerdem verrate ich dir auch, was du für deinen Hund und dich tun kannst, damit euer Zusammenleben entspannter und einfacher wird.

Lass uns starten.

 

Die Geschichte des Border Collies Bobby

Im Mai – an einem dieser sonnigen Frühlingstage, an dem die Welt aufblüht – kommt Bobby zur Welt. Ein Border Collie, wie aus dem Bilderbuch. Seine stahlblauen Augen wirken fast durchsichtig. Umrahmt werden sie von einer grauen Melierung, die sich wie eine zarte Zeichnung kreuzförmig um seine Augen legt, seine Ohren bedeckt und sich über seinen Rücken zieht. Sein Brustlatz ist strahlend weiß, genau wie seine Pfötchen – als hätte jemand kleine Wolken an seine Beine gebunden.

Bobby ist ein Blue Merle, seine Fellfarbe verdankt er dem Merle-Gen. Eine echte Seltenheit. Kein Wunder also, dass sich schnell Interessenten finden. Andrea und ihr Mann Helmut sind die Glücklichen, die die Nachricht bekommen, dass Bobby bei ihnen einziehen darf. Vor allem Andrea freut sich. Sie arbeitet im Homeoffice und wird Bobbys wichtigste Bezugsperson.

Von Beginn an möchte sie alles richtig machen. Schon eine Woche nach dem Einzug steht sie deshalb mit Bobby auf dem Trainingsplatz der Welpenschule. 11 Hunde, jung, neugierig, wild – und mittendrin: Bobby. Er wirkt aufgeweckt, aber auch ein wenig überfordert. Die Situation ist laut, hektisch und unübersichtlich. Manche Hunde toben ausgelassen, andere ziehen sich zurück. Bobby versucht irgendwie mitzuhalten, doch es ist zu viel auf einmal. Ein Entkommen gibt es nicht. Erst wenn die Stunde vorbei ist und die Tür sich öffnet, atmet Bobby wieder durch.

Zusätzlich lernt Bobby mit Andrea viele neue Orte kennen, geht mit auf den Wochenmarkt und auch mit ins Büro. Hundebegegnungen fördert sie aktiv und wenn Bobby doch einmal Meideverhalten oder Angst zeigt, ermutigt sie ihn, weiter in der Situation zu bleiben. Als Junghund geht es an das Gehorsamkeitstraining. Grenzen, Sitz, Platz, Fuß. Bobby soll schließlich nächstes Jahr die Begleithundeprüfung bestehen.

Bobby entwickelt sich gut. Im ersten Jahr zeigt er, was in ihm steckt: lernwillig, aufmerksam, eng bei Andrea. Doch mit der Pubertät kommt die Wende. Plötzlich bellt er andere Hunde an. Unbekannte Umgebungen verunsichern ihn. In belebten Straßen zieht er an der Leine, wirkt fahrig und rastlos.

Andrea ist verzweifelt. Was hat sie falsch gemacht? Warum reagiert Bobby auf einmal so heftig? Und vor allem: Was kann sie tun damit Bobby weniger reaktiv reagiert?

Um der Sache auf den Grund zu gehen und Andreas, sowie vielleicht auch deine, Fragen zu beantworten, lass uns einmal genau hinschauen.

Was ist Reaktivität überhaupt?

Reaktivität bedeutet nicht einfach nur „ein bisschen sensibel sein“. Es bedeutet: dein Hund geht innerhalb eines Wimpernschlags von 0 auf 180. Er reagiert schnell, intensiv, manchmal auch heftig – bei Aufregung, bei Frust, bei Angst oder Unsicherheit.
Aber – und das ist wichtig – Reaktivität ist keine Charaktereigenschaft. Es ist keine festgelegte Schublade, in die wir Hunde stecken sollten. Denn immer, wenn wir in Schubladen denken, übersehen wir das Wesentliche: den Hund als Individuum. Die Geschichte. Die Umstände. Die Beziehung.

Wenn du genauer wissen willst, wie Reaktivität entsteht, hör dir unbedingt meine vorherige Episode dazu an.

Was ist mit Bobby passiert?

Bobby kam nicht „reaktiv“ auf die Welt. Reaktivität entsteht – sie hat eine Geschichte. Und Bobbys Geschichte beginnt da, wo so viele ähnliche Geschichten beginnen: Bei vielen kleinen Momenten, in denen niemand wirklich hingeschaut hat.

Als Bobby noch ganz jung war, wurde er oft überfordert, ohne das es jemand bemerkt oder ernst genommen hat. Neue Orte, neue Menschen, andere Hunde – Hauptsache „gut sozialisiert“. Was viele für „Training“ hielten, war für Bobby zu viel. Er hat sich versucht mitzuteilen: durch Zurückweichen, durch Schnüffeln, durch sich klein machen. Doch niemand hat ihn gehört. Also wurde er lauter.

Mit der Zeit lernte er: Nur wenn ich belle, werde ich gesehen. Nur wenn ich in die Leine springe, bleibt mir Raum. Nur wenn ich ausraste, höre ich auf, mich hilflos zu fühlen.
Bobbys Reaktivität war nicht der Anfang seines Problems – sie war seine Lösung.
Eine Lösung, die funktioniert hat. Aber eben auf Kosten seiner Lebensqualität.

Dazu kamen ungünstige Erfahrungen mit anderen Hunden – Begegnungen ohne Rückzugsmöglichkeit, zu nah, zu viel, zu schnell. Und Menschen, die dachten, man müsse da „einfach mal durch“. Flooding statt Verständnis. Kontrolle statt Beziehung. Grenzen statt Sicherheit.

Bobby hat gelernt: Ich bin allein mit meinem Stress. Und wenn niemand aufpasst, dann muss ich eben selbst auf mich aufpassen.

Natürlich kann deine Geschichte ganz anders sein, die Gründe für das Verhalten deines Hundes ganz andere. Das ist Bobby und Andreas Geschichte, nicht die von deinem Hund dir.

Auch gebe ich Andrea keine Schuld, sie wollte von Beginn an alles richtige machen und hat sich darauf auf die Menschen verlassen, denen Sie vertraut hat.

Die gute Nachricht ist, man kann jederzeit anfangen, hinzuschauen und etwas zu ändern.

Ich habe für dich zehn wichtige Punkte und Trainingswege, damit du etwas ändern kannst und mit denen dein Hund von Tag zu Tag entspannter werden darf:

  1. Reaktivität verstehen: Dein Hund ist nicht schwierig, sondern überfordert.

Viele Menschen interpretieren reaktives Verhalten als „Ungehorsam“, „dominantes Verhalten“ oder „Sturheit“. Aber die Wahrheit ist: Reaktivität ist eine Überlebensstrategie. Dein Hund zeigt Verhalten, weil er in dem Moment keine andere Möglichkeit sieht, mit der Situation umzugehen. Er verliert die Kontrolle, weil er sich selbst nicht mehr regulieren kann. Wenn du beginnst, seine Reaktionen nicht als „Problem“, sondern als Kommunikation zu sehen, verändert sich alles: Deine Haltung, dein Umgang, dein Ziel.

  1. Frühsignale erkennen: Wie du das Problem siehst, bevor es eines wird.

Bevor ein Hund bellt, in die Leine springt oder fixiert, hat er schon lange versucht, sich mitzuteilen. Seine Körpersprache verrät dir sehr viel – wenn du hinsiehst. Leicht angespannte Muskulatur, eine schnellere Atmung, ein erhöhter Muskeltonus, ein Fixieren mit dem Blick oder ein Abwenden des Kopfes sind alles Signale, dass dein Hund gerade anfängt, innerlich unter Druck zu geraten. Wer früh erkennt, kann früh eingreifen. Und wer früh eingreift, muss später weniger reparieren.

  1. Grenzen nicht nur setzen, sondern ersetzen

„Nein!“, „Aus!“, „Hör auf!“ – bringt in der Regel gar nichts, wenn dein Hund schon mitten in seiner Reaktion steckt. Warum? Weil du ihm nichts anderes anbietest. Reaktives Verhalten lässt sich nicht einfach „abschalten“. Du kannst Verhalten nur durch neues Verhalten ersetzen. Hilf deinem Hund, eine andere Strategie zu lernen: dich anschauen statt fixieren, schnüffeln statt hochfahren, sich abwenden statt eskalieren. Du musst ihm zeigen, was er tun kann – nicht nur, was er nicht darf.

  1. Situationen vermeiden, bevor sie kippen

Es ist kein Rückschritt, eine Reizsituation zu vermeiden. Es ist klug. Wenn dein Hund noch nicht bereit ist, mit bestimmten Auslösern umzugehen – egal ob andere Hunde, Fahrräder oder Menschen – dann vermeidet ihr diese Situation ganz bewusst. Das Ziel ist nicht ewige Meidung, sondern Schutz vor Überforderung. Solange dein Hund keine neue Strategie gelernt hat, führt Konfrontation nur zu Rückschritten. Gute Trainer:innen wissen: Rückzug ist oft der Beginn nachhaltiger Veränderung.

  1. Entspannung trainieren – nicht nur hoffen

Ein Hund, der ständig auf 180 ist, kann sich nicht regulieren. Deshalb braucht dein Hund regelmäßige Entspannungsübungen – nicht als Notfalllösung, sondern als festen Teil eures Alltags. Das kann ein ritualisiertes Herunterfahren auf einer Decke sein, ein bestimmter Duft, ein festes Signal wie ein tiefes Ausatmen von dir. Entspannung muss für deinen Hund erkennbar, verlässlich und trainiert sein. Nur dann kann er in schwierigen Momenten darauf zurückgreifen.

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  1. Struktur schafft Sicherheit: Rituale geben Halt im Chaos.

Reaktive Hunde brauchen mehr als Training: Sie brauchen ein stabiles Gerüst. Feste Tagesabläufe, vorhersehbare Abläufe beim Gassigehen, bekannte Pausenplätze oder immer wiederkehrende Abläufe wie „wir bleiben hier stehen, wenn jemand entgegenkommt“ geben Orientierung. Diese Routinen helfen deinem Hund, sich an dir zu orientieren, statt in alte Muster zu fallen. Je klarer der Rahmen, desto mehr Sicherheit – für euch beide.

  1. Stress senken: Belastung erkennen und aktiv gegensteuern.

Viele reaktive Hunde befinden sich in einem Dauerstress-Zustand. Ihre Reaktionen sind dann keine Ausnahmen mehr, sondern Alltag. Um dem zu begegnen, musst du erkennen, wann dein Hund belastet ist: zu wenig Schlaf, zu viele Reize, zu viele Anforderungen, zu wenig Pausen. Die Spirale beginnt oft schleichend – und endet dann plötzlich in auffälligem Verhalten. Du kannst das stoppen, indem du für mehr Pausen sorgst, die Anforderungen reduzierst und deinem Hund echte Erholung gönnst.

  1. Wohlbefinden aufbauen: Glück ist kein Luxus, sondern Voraussetzung.

Ein Hund, der sich sicher und geborgen fühlt, reagiert weniger stark. Deshalb reicht es nicht, Stress zu vermeiden – du musst aktiv für positive Erfahrungen sorgen. Das bedeutet: Zeit zum Schnüffeln, gemeinsame Spiele, freie Bewegungsmöglichkeiten, Nähe ohne Druck. Orte, an denen dein Hund einfach sein darf – ohne Erwartungen, ohne Training, ohne Stress. Je mehr positive Erlebnisse dein Hund sammelt, desto robuster wird er in schwierigen Momenten.

  1. Sinnvolle Beschäftigung statt sinnloser Erschöpfung.

„Auslastung“ bedeutet nicht: den Hund körperlich fertig machen. Besonders reaktive Hunde profitieren nicht von mehr Tempo, sondern von mehr Sinn. Statt Ballwerfen bis zum Umfallen: Suchspiele, kleine Denksportaufgaben, ruhige Interaktion mit dir, körpersprachliche Spiele. Beschäftigung soll den Hund in Kontakt mit sich selbst und seiner Umwelt bringen – nicht ihn noch weiter vom eigenen Gefühl ablenken.

  1. Bleib da. Nicht nur körperlich – emotional.

Ein reaktiver Hund braucht keine Perfektion. Er braucht dich. Nicht als Kontrolletti, nicht als Schiedsrichter, sondern als emotionale Konstante. Jemanden, der ihn sieht, begleitet, ihm Sicherheit gibt. Bleib an seiner Seite, auch wenn es schwierig wird. Gerade dann. Dein Hund zeigt Verhalten, weil er ein Bedürfnis hat. Und dieses Bedürfnis will nicht unterdrückt, sondern verstanden werden.
Du bist der wichtigste Faktor in seiner Veränderung.

Reaktivität bedeutet nicht das Ende von Entwicklung – sie ist der Moment, in dem Veränderung beginnt.
Veränderung hin zu mehr Verständnis, mehr Ruhe und einer tragfähigen Verbindung zwischen dir und deinem Hund.

Bobby ist kein Sonderfall. Es gibt viele Hunde wie ihn. Und vielleicht hast du heute erkannt: Du bist nicht allein. Und dein Hund ist nicht „kaputt“. Er ist feinfühlig. Und er zeigt deutlich, dass ihm manches zu schnell, zu laut, zu viel ist.

Was du tun kannst?
Hör auf, nur gegen das Verhalten zu arbeiten. Fang an, für deinen Hund zu trainieren. Lerne, ihn zu lesen. Reagiere frühzeitig. Und steh an seiner Seite.

Danke, dass du zugehört hast.

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