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Trainingsmethoden auf den Prüfstand – Folge 4 – Frusttoleranz mit Frust steigern?

Frust ist kein Trainingsziel – warum Frusttoleranz nicht grenzenlos ist

 

Heute geht’s um ein Thema, das vielen Hunden das Leben schwer macht – und das trotzdem oft übersehen wird. Nicht, weil es selten wäre. Sondern weil wir Menschen es oft falsch einschätzen oder gar nicht erst als das erkennen, was es ist.
Frust.

Frust ist kein Zeichen von Ungehorsam. Kein Charakterfehler. Kein Ausdruck von Dickköpfigkeit oder mangelnder Erziehung.
Frust ist ein biologischer Zustand – ein unangenehmes Gefühl, das entsteht, wenn ein Bedürfnis blockiert wird. Wenn der Hund etwas will, etwas braucht, etwas erwartet – und es nicht bekommt. Wenn Handlungsmöglichkeiten fehlen. Wenn Kommunikation ins Leere läuft.

Und genau hier beginnt das Problem: Denn im klassischen Hundetraining wird Frust oft falsch verstanden. Er wird als Werkzeug benutzt. Man geht davon aus, dass man den Hund “abhärten” kann, indem man ihn bewusst frustriert – in der Hoffnung, er werde dadurch belastbarer. “Der muss das lernen”, heißt es dann. “Der muss da durch.”

Aber: So funktioniert das Nervensystem nicht.
Und: So funktioniert Lernen nicht.

Ein überfordertes Gehirn lernt nicht. Ein frustrierter Hund wird nicht automatisch gelassener – er wird oft nur stiller. Oder angespannter. Oder aggressiver. Was da entsteht, ist keine Toleranz – sondern Anpassung. Oder Stress. Oder Kontrollverlust.

Wir sprechen in dieser Podcastreihe, in der wir Trainingsmethoden unter die Lupe nehmen, was passiert wenn wir mit Frust arbeiten bzw. Frust mit mehr Frust versuchen zu reduzieren. Klingt komisch, ist aber gängige Praxis.

Lass uns loslegen, damit du diesen Fehler nicht machst.

 

Was ist Frust überhaupt?

Frust ist kein Zeichen von schlechter Erziehung. Es ist kein „Problemverhalten“. Frust ist ein biologischer Zustand. Ein innerer Alarm, der im Körper des Hundes ausgelöst wird, wenn ein Bedürfnis blockiert oder dauerhaft nicht erfüllt wird. Es ist das unangenehme Gefühl von “Ich will – aber ich kann nicht.” Oder schlimmer noch: “Ich darf nicht.”

Das Nervensystem reagiert darauf ganz automatisch – mit Stress. Mit Unruhe. Mit innerem Druck. Und mit Verhaltensweisen, die oft missverstanden werden: Bellen, Zerren, Winseln, Jammern, Anspringen, Fixieren. All das sind Ausdrucksformen von Frust, nicht von Ungehorsam.

Und hier beginnt das eigentliche Problem – nicht beim Hund, sondern bei uns. Denn viele Trainingsmethoden greifen genau an dieser Stelle falsch: Sie gehen davon aus, dass der Hund „lernen muss, damit umzugehen“. Dass man ihn einfach öfter in frustrierende Situationen bringen sollte, damit er widerstandsfähiger wird. Frei nach dem Motto: „Der muss das lernen.“ Oder: „Der darf nicht immer alles bekommen, was er will.“

Aber genau so funktioniert Lernen nicht. Und genau so funktioniert ein Nervensystem nicht.

Ein überlastetes System lernt nicht. Ein gestresstes Gehirn kann keine neuen Informationen aufnehmen. Wenn ein Hund in Frust überkocht, dann braucht er keine weitere Herausforderung – sondern Regulation. Sicherheit. Verständnis.

Frust ist nicht einfach nur ein bisschen Unmut. Es ist ein Zustand, in dem der Hund in seiner Selbstregulation an eine Grenze kommt. Und diese Grenze ist individuell – sie hängt vom Temperament ab, vom Alltag, von der Bindung, von den Erfahrungen, die der Hund gemacht hat.

Und diese Grenze ist nicht beliebig dehnbar. Wer glaubt, dass man Frusttoleranz durch Konfrontation und Aushalten vergrößern kann, verkennt die Realität. Denn was sich oft vermeintlich wie ein “fortschrittlicher” Hund zeigt – ruhig, zurückhaltend, angepasst – ist in Wirklichkeit oft ein resignierter Hund. Kein gelassener.

Frust entsteht, wenn ein erwarteter Erfolg ausbleibt. Ganz einfach gesagt: Der Hund möchte etwas – aber er bekommt es nicht. Er hat eine Erwartung – und die wird enttäuscht. Das Nervensystem registriert: Ziel nicht erreicht. Und dann geht eine Kaskade los.

Stell dir vor: Ein Hund sieht seinen Ball. Er kennt das Spiel. Er weiß, dass er normalerweise losrennen darf. Aber diesmal passiert nichts. Kein Kommando. Keine Bewegung. Er darf nicht hin. Das ist Frust.

Oder: Ein Hund sieht in der Ferne einen anderen Hund. Sein Bedürfnis: Kontakt. Interaktion. Neugier. Aber er wird zurückgehalten, obwohl der Reiz für ihn gerade riesengroß ist. Auch das ist Frust.

Oder ein anderes Beispiel: Der Hund bekommt ein Kommando, das er nicht versteht. Vielleicht ist er abgelenkt, vielleicht wurde es ihm nie richtig beigebracht. Er merkt, dass von ihm etwas erwartet wird – aber er weiß nicht, was. Auch das ist Frust.
Und zwar emotionaler Frust, weil ein Bedürfnis unerfüllt bleibt. Und kognitiver Frust, weil das Gehirn keine Lösung findet.

Und was macht der Körper in solchen Momenten? Er schaltet in den Stressmodus.
Cortisol wird ausgeschüttet – ein Hormon, das den Körper auf Anstrengung vorbereitet. Die Herzfrequenz steigt, die Muskulatur spannt sich an, die Sinne werden schärfer. Gleichzeitig wird die Verarbeitung im Frontalhirn heruntergefahren – das ist der Teil, der für logisches Denken und bewusste Kontrolle zuständig ist. Lernen? Fehlanzeige. Reflexe übernehmen das Steuer.

Das bedeutet: Frust ist immer Stress.
Nicht vielleicht. Nicht „ein bisschen“.
Immer.

Und Stress wirkt nicht nur innerlich – er zeigt sich im ganzen Hund. In der Körpersprache. Im Verhalten. Im Energielevel. Und langfristig – auch in der Gesundheit.

Das Problem: Frust bleibt oft unsichtbar, bis er sich entlädt. Bis der Hund sich nicht mehr regulieren kann. Bellt. Springt. Zerrt. Schnappt. Oder irgendwann einfach aufgibt.

 

Frust ist kein Muskel, den man trainiert.


Ich sag’s ganz direkt: Frusttoleranz ist nicht wie ein Bizeps, den man durch ständiges „Belasten“ aufbaut. Es ist nicht so, dass der Hund widerstandsfähiger wird, je häufiger wir ihn in stressige, frustrierende Situationen bringen.

Im Gegenteil.

Wer glaubt, ein Hund müsse einfach nur oft genug „lernen, damit klarzukommen“, indem man ihn absichtlich immer wieder blockiert, festhält, warten lässt oder verwirrt – der produziert langfristig kein gelassenes Tier. Sondern ein überreiztes. Ein dauerhaft gestresstes. Und im schlimmsten Fall: einen Hund, der irgendwann in die Verteidigung geht. Oder in die Resignation.

Denn das, was landläufig als „Frusttoleranz“ bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit die Fähigkeit zur Selbstregulation. Und diese Fähigkeit ist nicht beliebig belastbar. Sie ist endlich. Jeder Hund – genau wie jeder Mensch – hat eine persönliche Belastungsgrenze. Und wenn wir unseren Hund regelmäßig an diese Grenze bringen, dann wird sie nicht stabiler. Sie wird dünner. Poröser. Anfälliger.

Du kannst dir das Nervensystem wie ein Fass vorstellen. Mit einem begrenzten Volumen. Jeder kleine Frustmoment füllt es ein Stück. Und wenn das Fass voll ist – läuft’s über. Dann reicht oft ein winziger Reiz: eine falsche Bewegung, ein zu naher Hund, ein unerwartetes Geräusch – und der Hund flippt aus. Nicht, weil er “nicht hört”. Sondern weil er nicht mehr kann.

Frusttoleranz ist also nichts, das wir durch mehr Frust steigern. Sondern etwas, das durch emotionale Sicherheit, Beziehung und gute Trainingsstruktur überhaupt erst entstehen kann.

Ein Hund, der sich sicher fühlt, der in kleinen Schritten lernen darf, der verstanden wird und regelmäßig Erfolgserlebnisse hat – der entwickelt echte Selbstregulation.
Nicht durch Zwang, sondern durch Vertrauen. Nicht durch Druck, sondern durch Verbindung.

Wie trainieren wir mit unserem Hund sinnvoll?

Frust gehört zum Leben – das ist keine Frage. Kein Hund (und kein Mensch) wird immer alles sofort bekommen, was er will.
Aber: Frust darf nie der Trainingsinhalt sein.
Wir trainieren kein „Aushalten“. Wir trainieren Verstehen, Vertrauen und Handlungsfähigkeit. Denn nur, wenn ein Hund sich sicher und verstanden fühlt, kann er lernen, mit schwierigen Situationen umzugehen – ohne innerlich zu explodieren oder zu kollabieren.

Wenn wir also möchten, dass ein Hund Frust regulieren kann, statt davon überrollt zu werden, braucht es fünf klare Säulen im Training:

  1. Verständnis aufbauen
    Bevor wir vom Hund irgendetwas erwarten, muss er überhaupt wissen, was genau wir von ihm wollen. Klingt simpel, ist aber oft der Knackpunkt.
    Ein Hund, der nicht versteht, was eine Situation von ihm verlangt – oder was ein Signal bedeutet – wird unsicher. Und Unsicherheit ist der Nährboden für Frust.
    Deshalb ist Klarheit der erste Schritt. Deutliche Kommunikation. Ein eindeutiger Rahmen. Und ein Mensch, der verlässlich ist.
  2. Vorbereitung schaffen
    Verhalten entsteht nicht aus dem Nichts. Es muss in kleinen, verständlichen und lösbaren Schritten aufgebaut werden.
    Das bedeutet: Wir schaffen Trainingssettings, die der Hund bewältigen kann. Kein Reiz-Overload, keine „Feuerprobe“, kein Test.
    Stattdessen: Wir üben in ruhigen Situationen, mit klaren Signalen und minimaler Ablenkung – und steigern nur dann, wenn der Hund stabil bleibt. Schritt für Schritt. Nicht mit der Brechstange.
  3. Erfolge ermöglichen
    Lernen funktioniert nur, wenn es Belohnung und Erfolgserlebnisse gibt. Wenn Verhalten sich lohnt.
    Ein Hund, der wieder und wieder scheitert, weil die Aufgabe zu schwer oder das Umfeld zu reizintensiv ist, verliert nicht nur die Lust – sondern das Vertrauen in sich selbst und in die Zusammenarbeit.
    Das heißt: Wir gestalten Training so, dass der Hund sich kompetent fühlen kann. Dass er erlebt: Ich kann das. Ich werde verstanden. Ich bekomme etwas dafür.
  4. Emotionen ernst nehmen
    Wenn ein Hund zeigt, dass es ihm zu viel wird – dann hören wir nicht weg. Dann sagen wir nicht „der muss da jetzt durch“.
    Dann hören wir hin.
    Frustration zeigt sich oft leise: Unruhe, Übersprungverhalten, plötzliches Schnappen, hektisches Bellen, Meideverhalten, Stillstand. Das alles sind Hinweise darauf, dass der Hund gerade überfordert ist.
    Und anstatt Druck zu machen, passen wir die Situation an. Nehmen Reize raus. Machen’s einfacher. Geben Orientierung.
  5. Selbstregulation fördern – durch Co-Regulation
    Selbstregulation entsteht nicht durch Aushalten. Sondern durch Co-Regulation.
    Ein Hund lernt, sich selbst zu beruhigen, wenn er die Erfahrung macht, dass wir ihn nicht im Chaos alleine lassen.
    Wenn er Sicherheit bekommt. Klarheit. Vorhersagbarkeit.
    Wenn er sich auf den Menschen an seiner Seite verlassen kann.
    Das Nervensystem braucht dafür stabile Rahmenbedingungen: Rituale, Orientierung, und vor allem – eine Beziehung, die trägt.


Wir stärken Frusttoleranz nicht durch „mehr Frust“, sondern durch Verständnis, Struktur und Verbindung.
Ein Hund, der sich sicher fühlt, der verstanden wird, der kleine Erfolge feiern darf – der entwickelt echte Stabilität. Kein erzwungenes Funktionieren, sondern echte innere Ruhe.

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Und was heißt das konkret?

Ein Beispiel: Du möchtest, dass dein Hund beim Anblick anderer Hunde ruhig bleibt. Also übst du – nicht direkt an der Leine im Begegnungsmodus, sondern auf Abstand. In einem Reizniveau, das dein Hund noch gut verarbeiten kann. Du lässt ihn beobachten, gibst ihm Infos, belohnst ruhiges Verhalten. Und du achtest darauf, wann’s zu viel wird.

Wenn du ihn aber immer wieder in Begegnungen “reinschickst”, bei denen er überfordert ist – dann lernt er nicht Frusttoleranz. Sondern: Dass Hundebegegnungen Stress bedeuten. Dass er ausgeliefert ist. Und dass sein Mensch ihn nicht schützt.

Was du aus dieser Folge unbedingt mitnehmen solltest

Frust ist real. Und Frust gehört zum Leben – auch für Hunde.
Aber das heißt nicht, dass wir ihn gezielt erzeugen oder gar zum Trainingsinhalt machen sollten.
Denn Frust ist keine pädagogische Maßnahme. Er ist keine Methode.
Frust ist ein Stresszustand, der echte körperliche und emotionale Auswirkungen hat. Und wenn wir wollen, dass unser Hund gesund, stabil und gelassen bleibt, dann ist es unsere Verantwortung, diesen Zustand nicht unnötig zu provozieren.

Was wir stattdessen tun?
Wir schaffen sichere Rahmenbedingungen.
Wir bauen Verhalten in machbaren Schritten auf.
Wir sorgen dafür, dass unser Hund sich verstanden und unterstützt fühlt – auch (und gerade) dann, wenn es mal schwierig wird.
Und wir hören hin, wenn er uns zeigt: Das ist mir gerade zu viel.
Denn das ist keine Schwäche. Das ist Kommunikation. Und die verdient Gehör.

Die beste Frusttoleranz entsteht nicht durch Druck.
Nicht durch ständiges „Aushalten-Müssen“.
Sondern durch Vertrauen. Verbindung. Beziehung.

Ein Hund, der sich auf seinen Menschen verlassen kann, braucht keine Dauer-Anspannung, um stabil zu bleiben.
Er lernt mit der Zeit, dass nicht jeder Wunsch erfüllt wird – aber dass er trotzdem sicher ist.
Dass er nicht kämpfen muss. Nicht schreien muss. Nicht resignieren muss.
Sondern dass es einen Ausweg gibt. Eine Lösung. Eine Hand, die ihn führt.

Das ist echte Frusttoleranz.
Nicht die, die er sich allein erkämpfen muss –
Sondern die, die wir gemeinsam aufbauen.

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